Mit ihren gerade mal fünfzehn Jahren sieht sie aus, als könne sie kein Wässerchen trüben: Heidi Lubina aus Hammersbach, die in Altenstadt die Limesschule besucht. Eben dort präsentierte sie nun eindrucksvoll, welche düsteren Gedanken in ihrem Kopf nisten, das heißt: in jedem Teil des Gehirns, das für das literarische Schreiben zuständig ist. Denn mit ihrer Kurzgeschichte „Died alive“ überzeugte sie im vergangenen Jahr nicht nur die Jury des 19. Jugend-Preises der OVAG, sondern nun auch Schüler ihrer Schule, wo sie mit einer weiteren Gewinnerin dieses Preises bei einer Lesung ihren Text vorstellte.
„Died alive“ ist die temporeiche, bittere, harte Geschichte einer drogenabhängigen Mutter, deren Tochter wieder zu ihr zieht, nachdem sie mit ihrem Vater nicht mehr zurechtkommt. Schnell wird klar: Von dieser Frau sind keine mütterlichen Gefühle zu erwarten, ihr geht es ausschließlich um die Befriedigung ihrer Drogensucht. Dafür ist ihr tatsächlich jedes Mittel recht, sie geht bis zum Äußersten und schreckt selbst vor dem Mord an ihrer Tochter nicht zurück. Aber ist die Tochter, Amélie, wirklich tot? Mit dem Ende ihrer Geschichte bietet Heidi Lubina dem Leser zwar eine Lösung an, doch – sehr geschickt aufgebaut – ist auch alles andere möglich. Ihre nächste Geschichte? „Dabei geht es auch wieder um ein Verbrechen“, sagt Heidi Lubina und lächelt, beinahe maliziös.
Eher sanfte Töne schlägt die 19-jährige Emmelie Specht aus Nidda an, die bereits zum dritten Mal in Folge unter den Preisträgern war. Aber ihre Geschichte „Wir beide allein“ birgt nicht weniger Dramatik, schildert den inneren Monolog einer jungen Frau, deren Freund offenbar die Beziehung beenden möchte, aber zunächst weder die richtigen Worte findet, noch den Mut aufbringt. „Wir müssen reden, hast du gesagt, aber du redest nicht. Drehst dich nur hin und her und her und hin. Siehst mich kein einziges Mal an. Dabei hast du doch bisher jeden ‚Wer-zuerst-wegschaut-verliert‘-Wettbewerb gewonnen. Ich trommle mit den Fingerspitzen gegen den Bettpfosten. Das ist meine Art, dich auf Knien anzuflehen, mich endlich zu bemerken.“ Dabei ist die Erzählerin vermutlich stärker, als es der Freund vermutet. „Ich weiß, du denkst, ich würde es nicht verkraften, aber das stimmt nicht. Es wäre mir sogar tausendmal lieber als die Ausreden.“ Endlich bringt der Freund mit seiner „blauen Stimme“ seine Entscheidung über die Lippen; die Erzählerin bittet ihn zu gehen. „An der Tür drehst du dich nochmal um und siehst mich an. Einen Moment lang will ich alles rückgängig machen, du bittest mich ja geradezu darum. Aber heute schaue ich weg. Du gehst, Licht aus. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.“
Das Buch Gesammelte Werke, 218 Seiten, gebunden, kostet 12 Euro und kann bestellt werden bei hoppe@ovag.de oder 06031 6848-1193.
Einsendeschluss für den Jugend-Literaturpreis der OVAG 2023 ist am 15. Juli. Näheres unter matle@ovag.de