Wenn die Zeit aus dem Takt geraten ist …

Gewinner des Jugend-Literaturpreises der OVAG lasen an der Gesamtschule Hungen.

Bereits zum sechsten Mal schrieb sich die mittlerweile 22-jährige Friedbergerin Pia Bonn unter die Gewinner der 19. Ausgabe des Jugend-Literaturpreises der OVAG im vergangenen Herbst. Mit ihrem Text „Das Café der Uhren“ überzeugte sie seinerzeit die Jury. Die Idee zu der Geschichte, so die Autorin jetzt im Anschluss an eine Lesung in der Gesamtschule Hungen, war ihr während der Corona-Zeit gekommen. Als nichts mehr so schien, wie es kurz vorher noch gewesen war. Im „Café Zeitlos“, in dem an den Wänden zahlreiche Uhren hängen, von denen jedoch keine einzige die richtige Zeit anzeigt – für Pia Bonn ein Bild dafür, wie damals so vieles aus dem Gleis sprang – treffen unterschiedliche Menschen mehr oder weniger zufällig aufeinander. Jeder beladen mit seinen eigenen Problemen und Problemchen. Geschickt orchestriert Pia Bonn dieses Szenario, im Bewusstsein, dass auch am nächsten keine der Uhren die richtige Zeit anzeigen wird. Wenn die Zeit eben aus dem geraten Takt ist …

Neben Pia Bonn trugen noch zwei weitere, der insgesamt 24 Preisträger, ihre Texte den Schülern vor. So Marie Middendorf (16 Jahre) aus Rosbach im Wetteraukreis, die das nicht einfache Leben einer Hochbegabten beschreibt. Sie erzählt feinfühlig von Neid, abschätzigen Bemerkungen, Selbstzweifeln und dem Wunsch, vielleicht so zu sein wie die anderen, nicht die Hochbegabten. Die teilweise besessen ist von Zahlen, die mit dem Alltag von ihr und anderen Menschen keine Rolle spielen. Etwa hat sie beinahe manisch die Steine der Kante des Bahnsteiges gezählt. 347. Eine Zahl, die sie nicht mehr loslässt. „Die Quersumme, 14, ist gerade und wenn man die Zahl zwischen der 4 und der 7 trennt und wieder die Quersumme errechnet, kommt man auf dieselbe Summe.“ Und so weiter. Am Ende trauert sie um die all die sozialen Kontakte, die sie nicht bewahren konnte. „Ich hoffe, dass sie alle glücklich werden. Ja, wirklich, ich wünsche es jedem. Dabei kenne ich nicht alle ihre Namen, geschweige denn ihre Geschichten. Obwohl ich hochbegabt bin.“

Melancholisch wiederum die Geschichte der 18-jährigen Lina Richter aus Butzbach. „Der 21. Mai“ erzählt sinnlich von einer außergewöhnlichen Beziehung. Von einem Mann, der jeden Dienstag ein Buch für eine Frau zwischen die Tore zum Stadtpark schiebt und ihr daraus vorliest. „Er hatte sie dabei in seinen Armen gehalten und ihr gezeigt, wie gern er sie gehabt hatte. Und sie konnte ihm an diesem Tag auch zeigen, wie sehr sie ihn gemocht hatte. Nein, wie sehr ihn mochte, denn das tat sie ja noch immer.“ Noch. Denn dann taucht er plötzlich nicht mehr auf. „Auch wenn er nicht mehr da war: Sie konnte diese Gefühle nicht abstellen.“ Ein rätselhaftes Ende einer rätselhaften Beziehung, jedoch ohne faden Beigeschmack. „Für sie würde er immer der Junge mit dem Stapel aus Büchern bleiben. Und das war gut so.“

Das Buch Gesammelte Werke, 218 Seiten, gebunden, kostet 12 Euro und kann bestellt werden bei oder 06031 6848-1193.

Einsendeschluss für den Jugend-Literaturpreis der OVAG 2023 ist am 15. Juli. Näheres unter

Lesung
Bei der Lesung, v.l.: Marie Middendorf, Pia Bonn und Lina Richter.

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