Sie sei sehr glücklich, an diesem Abend im Kursaal des Hotels Dolce in Bad Nauheim sein zu dürfen, bekannte Kerstin Gleba, Verlegerin des Verlages Kiepenheuer und Witsch, gleich zu Beginn ihrer Laudatio. Sie wolle die Gäste mitnehmen auf eine Flugreise, auf dem sie alle aus der Vogelperspektive einen Blick werfen würden ins Reich der Literatur. „Wir werden Schatzinseln entdecken und dunkle Flecken, magische Seen und tiefe Abgründe. Viele verschiedene Sprachen werden gesprochen in den kleinen Ländern und Fürstentümern, die wir überfliegen.“ Angesiedelt in diesen Fürstentümern sind die 24 Texte der Gewinner des Jugend-Literaturpreises der OVAG 2022, abgedruckt in dem Buch Gesammelte Werke, das nun vorgestellt wurde.
Kerstin Gleba lobte die jungen Autoren (zwischen vierzehn und 23 Jahren) gleich mehrfach: „Es braucht ein sehr besonderes Talent, es braucht großen Mut, es kostet Überwindung, es macht Freude wie Angst: eine Geschichte zu erzählen und die richtigen Worte zu finden. Aus meiner Erfahrung als Verlegerin, die das Privileg hat, mit Debütanten zu arbeiten genauso wie mit Nobelpreisträgern, kann ich sagen: So ist es am Anfang, so wird es immer sein.“ Literatur sei kein Sport, aber dennoch sei es ein wenig wie Olympia: „Dabei sein ist alles. Wer heute Abend hier ist, der hat es geschafft. Den wahren Preis habt ihr alle euch und uns schon selbst geschafft: Dass ihr eine Geschichte geschrieben und gestaltet habt. Dass ihr eine Form gefunden habt, von dem, was euch bewegt, berührt und bedrückt, zu erzählen.“
Kerstin Gleba skizzierte einige der ausgezeichneten Gewinner-Texte, ging besonders auf drei Autorinnen ein, die im Anschluss an die Laudatio dem Publikum ihre Texte vorstellten. So Caitlin Rossmanith (17 Jahre) aus Ortenberg mit „Die Welt steht mir offen – und ich kann nirgendwo hin“. In beklemmender Deutlichkeit schildere sie die Abgründe, von denen ein junger Mensch stünde in einer Welt, die von jungen Menschen erwartet, Ziele zu haben. „Kann man mir die Freiheit überhaupt zumuten“, heißt es in der Kurzgeschichte.
Lilli Weiskopf (21) aus Gießen zeige, so Kerstin Gleba, in ihrer Erzählung „Liebe ist dein zweiter Name // sommerblau“ die Kunst der Aussparung. „Ein Text von poetischer Schönheit und Eleganz, mit fein aufblitzendem Humor.“ Schließlich die 18-jährige Emilia Bauer („Der Geschmack von Blaubeeren“) aus Schrecksbach. Kerstin Gleba: „Die Erzählung ist gespickt mit wunderbaren literarischen Referenzen, aber nie werden sie bildungshuberisch ausgestellt, nein, ganz fein werden Fährten ausgelegt.“ Für sie erzeuge diese Geschichte meisterhaft eine Atmosphäre, wie man sie aus dem Film „Stand by me“ kenne. „Eine Geschichte von Schönheit, Liebe und Verlust.“
Der Buchveröffentlichung vorausgegangen war im vergangenen November ein viertägiger Workshop bei dem die Jung-Autoren ihre Texte gemeinsam mit Schriftstellern wie Feridun Zaimoglu, Franziska Gerstenberg und Dana von Suffrin lektorierten. OVAG-Vorstand Oswin Veith in seiner Rede dazu: „Mit wurde berichtet von der besonderen Atmosphäre, dieses kritischen, konstruktiven Miteinanders auf Augenhöhe.“ Was ihn an der Schilderung besonders imponiert habe: „Mit welcher Ernsthaftigkeit und Konzentration die Autoren bei der Sache waren. Genauso imposant finde ich es, wie die Zusammenarbeit geschlechter- und altersübergreifend funktioniert hat.“ Nicht viele Menschen kämen in den Genuss, ihren Text in einem Buch gedruckt zu sehen. „Gewiss werden Sie heute Abend, wenn Sie wieder allein sind, das Buch durchblättern und wenn Sie es mit ins Bett nehmen wollen wie Fußballer ihren gerade gewonnenen Pokal, ist dagegen heute nichts einzuwenden …“
Die „Gesammelte Werke“, 218 Seiten, kosten 12 Euro und können bezogen werden über die OVAG 06031 6848 1193 (hoppe@ovag.de) und im Buchhandel. Auf der Website der OVAG gibt es zudem weitere Informationen über den 20. Jugend-Literaturpreis der OVAG. Ansprechpartner ist Andreas Matlé (matle@ovag.de).