Eine schöne Nachricht aus Afghanistan.

Sie ist erst 14 Jahre jung: Zum ersten Mal eine afghanische Artistin auf einer deutschen Varieté-Bühne.

Eine kleine Sensation vor Beginn des 17. Internationalen Neujahrs-Varietés der OVAG vom 10. Januar bis 4. Februar im Dolce-Theater in Bad Nauheim. Nicht wegen einer artistischen Darbietung an sich, sondern wegen des Zustandekommen eines Auftritts überhaupt, der, als die Idee dazu vor sechs Wochen aufkam, als illusorisch erschien. Zum ersten Mal in der 17-jährigen Geschichte des afghanischen Educational Children’s Circus (AECC), einem Projekt des Mobile Mini-Circus for Children (MMCC), wird ein einzelne Artistin aus diesem Kreis in einem europäischen Varieté auftreten. Überdies dürfte es die erst afghanische Artistin auf einer deutschen Varieté-Bühne überhaupt sein (zumindest nach Ende des Zweiten Weltkriegs); auf alle Fälle ist Rabia Ahmadi aus Kabul die jüngste Artistin, die je beim Internationalen Neujahrs-Varieté aufgetreten ist.

„Wir haben uns sehr um den Auftritt dieser jungen Frau bemüht“, unterstreichen die OVAG-Vorstände Rainer Schwarz und Joachim Arnold. „Aufgrund der politischen Lage ist es derzeit nicht einfach, Visa für afghanische Bürger zu erhalten. Einige Telefonate und Briefe waren nötig, um dieses Vorhaben umzusetzen. Es gab unter anderem Gespräche mit dem Auswärtigen Amt und der afghanischen Botschaft in Berlin.“ Es sei wichtig, dass es auch positive, aufmunternde Nachrichten aus einem Land gebe, dass seit vierzig Jahren von Krieg und Terror erschüttert ist. In diesem Fall der Auftritt einer Künstlerin, die mit vielen anderen ihren Beitrag dazu leistet, ihr Land aufzubauen und ihm eine Perspektive zu geben.

Nicht zuletzt werde durch diese Verpflichtung die Veranstaltungsgattung an sich betont: Varieté, nicht nur die Vielfalt der einzelnen Genres, sondern auch die Vielfalt der Künstler, die an einem Ort zusammenkommen, unabhängig von Nation, Herkunft, Religionszugehörigkeit, Alter und Geschlecht. In diesem Jahr werden das Artisten aus fünfzehn verschiedenen Nationen sein.

Da die deutsche Botschaft in Kabul derzeit keine Visa vergibt, mussten die Artistin und ihr Trainer zunächst Visa für Indien beantragen, um in Neu Delhi bei der deutschen Botschaft vorsprechen zu können. Die Bedeutung dieses Auftritts wird auch dadurch unterstrichen, dass der afghanische Botschafter in Deutschland, Abdul Jabar Ariyaee, seinen Besuch der Veranstaltung angekündigt hat.

„Die Verpflichtung von Rabia bei dieser Weltklasse-Veranstaltung gibt unserem Projekt einen ungeheuren Schub“, freut sich der Däne Dave Mason. Gemeinsam mit Berit Muhlhausen hat er vor fast zwei Jahrzehnten in Kabul das Zirkus-Projekt, eine NGO (Nichtregierungsorganisation), für Kinder und Jugendliche aufgebaut. „Es ist für viele ein Lichtblick und ein Ort des Frohsinns, es gibt ihnen Selbstvertrauen, einige können über die Artistik erlittene Traumata überwinden.“ Regelmäßig werden einhundertzwanzig Kinder und Jugendliche im Children´s Culture House in Kabul betreut, gleichviel Mädchen wie Jungen. Beim gemeinsamen Trainieren und Essen lernen sie unter anderem, dass es kaum Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppen in Afghanistan gibt, Vorurteile, die oft dem inneren Frieden im Weg stehen, können so überwunden werden. Bislang sind die Mitglieder der Gruppe vor insgesamt rund 2,7 Millionen Zuschauern in fünfundzwanzig Provinzen Afghanistans aufgetreten – dort, wo es möglich ist. Denn immer wieder ist dieses Projekt den Drohungen radikaler Kreise ausgesetzt. Unterstützt wird es hingegen beispielsweise von der UNICEF und dem Internationalen Roten Kreuz.

Das pädagogische Konzept sieht vor, dass jene Jugendliche, die soweit sind, Gleichaltrige und Jüngere selbst beim Training anleiten und als Vorbilder auftreten. Dave Mason ist seit vielen Jahren in dieser Mission unterwegs, wird im Januar in Holland Vorträge zu dem Thema „Sozialer Zirkus in Krisengebieten“ halten. Das Projekt finanziert sich ausschließlich aus Spenden.

Obwohl sie erst vierzehneinhalb Jahre jung ist, ist Rabia aufgrund ihres Könnens und ihrer bisherigen Errungenschaften schon so etwas wie ein kleiner Star in ihrer Heimat. 2012 trat die Gymnasiastin dem Zirkus-Projekt in Kabul bei und machte unter ihrem Trainer, dem 39-Jährigen Khalilullah Habibi - der sie nun nach Deutschland begleitet – rasch Fortschritte, besonders im Jonglieren. 2015 wurde sie zum Kinder-Zirkus Festival „Circomondo“ ins italienische Siena eingeladen, 2017 gewann sie bei den Meisterschaften der IJA (International Jugglers Association), der internationalen Vereinigung der Jongleure, für den Bereich Süd-Asien sogar die Goldmedaille.

Habibi, der das Projekt in Kabul mit aufgebaut hat: „Seit bekannt wurde, dass es die Möglichkeit dieses Auftritts in Bad Nauheim geben könnte, hat Rabia noch mehr als sonst trainiert. Natürlich ist sie wahnsinnig aufgeregt, inmitten solcher Stars und vor diesem Publikum aufzutreten zu dürfen.“ Das Publikum in Bad Nauheim ist für seine Begeisterungsfähigkeit bekannt … seine Herzen dürften Rabia zufliegen …

Restkarten für das Internationale Neujahrs-Varieté zwischen 31 und 35 Euro unter 06031 6848 1113 und im Internet unter www.adticket.de

Rabia Ahmadi aus Afghanistan bereitet sich auf das Neujahrs-Varieté der OVAG vor.
Tritt beim Neujahrs-Varieté der OVAG auf: Rabia Ahmadi aus Kabul.

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