Bereit für die Herausforderungen der Zukunft.

OVAG-Gruppe begeht 110-jähriges Bestehen mit akademischer Feier auf dem Betriebsgelände Warth.

„Wir leben in bewegten Zeiten – und es scheint, als würden die Jahre nahezu rasant vorüberziehen. Ist es wirklich schon 110 Jahre her, dass mit einer Handvoll Mitarbeiter die Grundwasserversorgung und aus deren Erlösen wiederum die Elektrifizierung der Region eingeleitet wurde?“, fragte der OVAG-Vorstandsvorsitzende Joachim Arnold die rund 110 Gäste, die sich bei sommerlich-heißem Wetter in der neuen Fahrzeughalle auf dem Betriebsgelände Warth eingefunden hatten, rhetorisch. Denn vor 110 Jahren brachte die OVAG den Menschen in Oberhessen qualitativ hochwertiges Trinkwasser und Strom.

Für den regionalen Energieversorger Grund genug, an diese Pioniertaten zu erinnern und das 110-jährige Bestehen mit einer akademischen Feier auf dem Betriebsgelände zwischen Dorheim und Friedberg zu begehen. Arnold begrüßte – auch im Namen seines Vorstandskollegen Oswin Veith – neben den Landräten der Landkreise Wetterau und Vogelsberg, Jan Weckler und Manfred Görig, zahlreiche Bürgermeister aus dem Versorgungsgebiet, Vertreter der ZOV-Verbandsversammlung, des Aufsichtsrates sowie aus Politik und Wirtschaft in der neuen Fahrzeughalle auf dem Betriebsgelände, die für diesen Anlass festlich hergerichtet war.

Als Festredner war an diesem Vormittag einer zu Gast, der nicht zum ersten Mal auf Einladung der OVAG nach Oberhessen reiste, jedoch mit dem Thema Energieversorgung auf den ersten Blick wenig zu tun hat: der Journalist und Autor Harald Martenstein, deutschlandweit bekannt durch seine wöchentliche Kolumne in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Martentein, sich dieser Tatsache sehr bewusst, stellte das in seiner launigen Rede sofort klar: „Sie haben zu Ihrem Jubiläum also keinen Experten für Energieversorgung eingeladen. Stattdessen einen Autor, der gern abschweift und private Geschichten erzählt und seit langem in Berlin lebt.“ Und genau diese „privaten Geschichten“ aus Berlin nahm Martenstein nun, um zu illustrieren, warum die OVAG in seinen Augen nach 110 Jahren dort stehe, wo sie nun einmal stehe: „Den Irrweg der Entkommunalisierung sind Sie in ihrer Region so töricht wie Berlin nicht gegangen. Die OVAG ist dafür ein gutes Beispiel. Überhaupt scheint es mir ein Kennzeichen Ihres Unternehmens zu sein, dass bestimmte modische Fehler nicht gemacht wurden. Vielleicht ist ‚Augenmaß‘ das richtige Wort dafür.“

Er erinnerte zudem an all das, was die OVAG in der Region darüber hinaus auszeichne, etwa den Jugend-Literaturpreis und die Lesereihen, in deren Zuge er selbst schon mehrfach Gast in der Region gewesen sei. „Es zeigt, dass Sie sich nicht nur für Ihre Kunden interessieren, das sowieso, sondern ganz allgemein für die Region, zu der Sie gehören.“ Er werde, scherzte Martenstein, eine Religionsgemeinschaft mit dem Namen „Die Zeugen Ovags“ gründen, sollte der regionale Energieversorger auch noch einen Preis für langhaarige Autoren über 60 – wie er einer sei – stiften.

Der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Dr. Ulrich Lenz, streifte in seiner Rede ebenfalls das Thema Entkommunalisierung. Es sei ein Wunder, dass ein kommunaler Verbund so lange halte und funktioniere. „Die OVAG ist der beste Beweis dafür, dass trotz paritätischer Mitbestimmung ein Betriebserfolg möglich ist.“ Er lobte die von der OVAG gelebte kommunale Zusammenarbeit. „Das liegt seit ihrer Gründung vor 110 Jahren in ihrer DNA.“ Die OVAG, das sei für viele Menschen in den Landkreisen Wetterau, Vogelsberg und Gießen ein Stück Heimat. Das bedeute ganz praktisch, dass man sich bei Lob, Kritik und Fragen nicht durch anonyme Hotlines kämpfen müsse, sondern Ansprechpartner vor Ort am Ohr habe. Ein Umstand übrigens, den auch Festredner Harald Martenstein als heutzutage ungewöhnliches Aushängeschild pries. Das sei, befand Martenstein, „purer Luxus zu einem erschwinglichen Preis“.

Der OVAG-Vorstandsvorsitzenden Joachim Arnold blickte in seiner Rede vor allem in die Zukunft. „Wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass unser heutiges Leben ohne die ständige Verfügbarkeit von Strom und Wasser nicht mehr vorstellbar wäre – derweil grüßen am Horizont bereits neue Themenfelder, die es zu bestellen gilt.“ Wie werde man den steigenden Hunger nach Energie unabhängig von ausländischen fossilen Energieträgern möglichst regional stillen können? Wie wird man diese Energie nachhaltig speichern können und was könne man zur weiteren Dekarbonisierung beitragen? Die damit verbundenen Herausforderungen nehme man gerne an. „Es gilt, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und langfristige Ziele vorausschauend zu verfolgen.“ Dazu zählten auch, Know-how in der Region zu halten und Arbeitsplätze zu sichern, das Personal weiterzubilden und auf kommende Herausforderungen vorzubereiten. „Denn die Probleme der Zukunft sind nur durch Engagement, Expertise und Teamwork zu bewältigen.“ Das größte Kapital der ‚OVAG seien die gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die treuen regionalen Kundinnen und Kunden.

Der Betriebsratsvorsitzende der OVAG, Thorsten Hankel, ging auf die riesigen Veränderungen ein, die in den vergangenen 110 Jahren in der Region Einzug gehalten haben. „Bei einem Besuch im Hessenpark kann man einen Eindruck davon gewinnen, wie unsere Vorfahren 1910 gelebt haben. Richtig vorstellen können wir uns das heute trotzdem nicht mehr.“ Hankel erinnerte an Errungenschaften wir Rechenmaschinen und den Spannungsführer und an kleine Helfer im Büro wie den fest am Schreibtisch montierten Bleistiftspitzer. Der sei heute, wie die Rechenmaschine, obsolet. „Was tatsächlich geblieben ist: die Fernwasserleitung. Das ist echte Wertarbeit.“ Das Unternehmen habe zwei Weltkriege und zwei Währungsreformen, die Umstellung auf den Euro und den Jahrtausendwechsel überstanden: „Ich bin mir sicher, wir werden auch die nächsten 110 Jahre überstehen.“

Zwischen den Redebeiträgen unterhielten Benedikt Sender am Saxophon und Carlo Brüggemann am Klavier das Publikum. Das Duo ist Dritter Preisträger des hessischen Landeswettbewerbs „Jugend musiziert“. Zudem spielte vor und nach dem offiziellen Programm der Musikverein 1905 Ober-Wöllstadt auf.

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